Quantcast
Channel: Tech Side Story » Allgemein
Viewing all articles
Browse latest Browse all 28

Auf Entzug – das Finale

$
0
0

Am Wochenende geht die digitale Entgiftung zu Ende. Heute erreiche ich die ultimative Zen-Stufe. 

Ich beginne den Samstag damit, auf einen Wassertopf zu starren. Zunächst tut sich nichts, dann bilden sich am Rand des Topfes die ersten Blasen. Je heißer das Wasser wird, desto schneller wirbelt die Luft nach oben. Am Anfang bin ich ungeduldig, ich habe die Aufgabe vor mir hergeschoben. Im Hintergrund höre ich, wie im Wohnzimmer mein iPhone vibriert und eine neue Nachricht ankündigt.

Plötzlich ertappe ich mich dabei, wie ich mehr und mehr fasziniert und eingenommen bin von dem, was da vor mir passiert. Mir war nicht klar, wie schön das aussieht, wenn sich Wasser auf einem Herd erhitzt und die Luftblasen sich zu einem wirbelnden, tanzenden Ganzen verbinden. Am Ende bleibe ich noch etwas länger stehen und schaue dem kochenden Wasser zu, obwohl die Aufgabe längst erfüllt ist.

Dann nehme ich mein Portmonee, leere den Inhalt auf die Ablage und beginne, ein kleines Häuschen zu bauen. Ich lege einen Weg aus 1-Cent-Münzen, falte Dollar-Scheine zu zwei Liegestühlen und verwandle meine Kreditkarten in ein Schwimmbecken. Daneben entsteht ein Zelt, weil das Fundament ein größeres Gebilde auch nach mehreren Versuchen nicht trägt. Ich bin zufrieden, hole mein iPhone und halte das Ergebnis fest - geschafft.

Es ist die letzte Aufgabe meiner digitalen Entzugskur. Eine Woche lang habe ich versucht, mich von meinem Smartphone zu lösen und bin den Anweisungen von Manoush, meiner Gruppentherapeutin von NPRs New Tech City, gefolgt. Ich habe das iPhone in der Tasche gelassen, wenn ich unterwegs war, ich habe auf Fotos verzichtet und stattdessen mit den Augen gesehen. Ich habe innegehalten und die Ruhe ausgehalten.

Und unmerklich ist dabei tatsächlich etwas mit mir passiert. Ich habe ein kleines bisschen mehr zu mir selbst gefunden. Ich bin nicht mehr nervös geworden, wenn die U-Bahn in den Tunnel fuhr und die Verbindung zur Außenwelt abbrach. Ich habe keine Momente der Panik mehr erlebt, nur weil der Akku-Balken meines iPhones den baldigen digitalen Tod ankündigte. Ich habe in der U-Bahn gesessen, die Leute betrachtet, wie sie auf ihre Displays starren. Ich habe meine Gedanken wandern lassen und Langeweile wieder genießen gelernt. Ich fühlte mich wie ein Ex-Raucher in einer Welt von Rauchern.

Ich habe gemerkt: Es gibt ein Leben ohne iPhone. Und es ist wichtig, das ab und zu zu spüren.

IMG_2373

 

 


Viewing all articles
Browse latest Browse all 28

Latest Images

Trending Articles